Viele Anfragen und viele Themen in unserer Gruppe handlen von dem gleichen Thema: ist derzeit Intel oder AMD in Sachen Prozessor besser? Hier versuchen wir, die derzeitige Lage ein bisschen abzubilden und eine Entscheidungshilfe zu liefern.
Kaufentscheidung für einen Prozessor derzeit schwierig
Eins kann man vorweg auf jeden Fall sagen: derzeit ist es sehr schwierig, sich für einen Prozessor, eine Plattform und einen Hersteller zu entscheiden. Grund dafür ist, dass AMD den Markt mit Ryzen und Threadripper aufgemischt hat. Intel hat darauf reagiert und plant einen Sechskerner für den Mainstreammarkt, bis zu 18 Kerne bietet die neue Profi-Plattform Skylake-X. Mit Threadripper wird AMDs Antwort auf Skylake-X folgen, was uns auch auf dem Enthusiasten-Markt wieder neue Prozessoren beschert. Gut ist das vor allem für uns Kunden, denn Konkurrenz belebt ja bekanntlich den Markt. Entsprechend sind derzeit auch die Preise, AMD und Intel liefern sich eine regelrechte Schlacht. Es zeichnet sich dabei auch ab, dass Intel viele seiner Architekturen bereits in der Schublade liegen hatte. Sonst wäre ein verfrühter Start von Skylake-X und X299 vermutlich nicht möglich gewesen, genausowenig wie der Start von Coffee Lake Anfang August. AMD hat daher gute Arbeit geleistet und nascht dank Ryzen Intel auch schon fröhlich die Marktanteile weg.
Kerne und Taktraten
Deutliche Unterschiede gibt es natürlich auf beiden Seiten zwischen den Plattformen. Das derzeit stärkste Unterscheidungsmerkmal ist die Anzahl der Kerne. AMD bietet mit Ryzen deutlich mehr Kerne an als Intel. Die Ryzen 7-Prozessoren bieten ganze acht Kerne und 16 Threads, was sie für Workstations und PCs, auf denen gleichzeitig gespielt und gestreamt wird, prädestiniert. Die Ryzen 5-Prozessoren bieten vier oder sechs Kerne mit acht oder zwölf Threads an. Intel ist jedoch trotzdem noch mit den Cores i7-7700K und i5-7600K marktbeherrschend, was Gamingrechner angeht. Das liegt vor allem an den hohen Taktraten, die beim 7700K standardmäßig bei 4,2 GHz und im Boost bei 4,5 GHz liegen. Ryzen hingegen hat auf den Top-Prozessoren Ryzen 7 1700, 1700X und 1800X nur bis zu 4 GHz standardmäßig als Boost. Die meisten Spiele sind derzeit nicht auf so viele Kerne getrimmt, weshalb Ryzen den Vorteil der vielen Kerne verliert. Da aber auch Intel derzeit Sechskerner für den Mainstream vorbereitet, wird sich das wahrscheinlich bald ändern.
Teils besser beim Gaming als die Ryzen 7-Prozessoren schneidet der Ryzen 5 1600X ab. Dieser ist mit sechs Kernen und zwölf Threads sowie einem Takt von 3,6 bzw. 4,0 GHz ausgestattet, was ihn zu einer gute Mischung aus vielen Kernen und hohem Takt macht. Der direkte Konkurrent scheint zwar der Core i5-7600K mit vier Kernen und vier Threads zu sein, der Ryzen 5-Prozessor kann es jedoch in manchen Spielen auch problemlos mit einem i7-7700K aufnehmen.
Übertakten
Ein weiterer Faktor in diesem Spiel ist das Übertakten. Intel bietet für die Prozessoren mit K-Suffix (derzeit der i3-7350K, der i5-7600K und der i7-7700K) in Kombination mit dem Z-Chipsatz die Möglichkeit zum Übertakten. Dies funktioniert verhältnismäßig reibungslos und sorgt für zusätzliche Power im System. So lassen sich die meisten 7700K-Prozessoren problemlos auf 4,8 GHz übertakten, auch über 5 GHz sind möglich. Einschränkend wirkt jedoch der Faktor, dass mit einem Mainboard mit H-Chipsatz nicht übertaktet werden kann. Auch ist das Übertakten jeweils nur den Topmodellen der i3-, i5- und i7-Reihe vorbehalten. AMD geht hier anders vor. Bereits die günstigen B350-Chipsätze sind fürs Übertakten geeignet. So ist ein Board mit teurerem X370-Chipsatz nicht zwangsweise notwendig. Die Prozessoren der Ryzen 5 und Ryzen 7-Familie lassen sich alle relativ problemlos übertakten. Leider ist Ryzen hier eher anfällig für Fehler, weshalb Intel-Prozessoren besser zu Übertakten sind.
Mainboards und Chipsätze
Weitere Unterschiede gibt es bei den Chipsätzen und Mainboards. Intel fährt hier mit hoher Kompatibilität sehr gut. So werden alle Prozessoren der neuen Serie auch von alten Chipsätzen aufgenommen, sofern der Sockel gleich bleibt. Da auch Coffee Lake auf den 1151-Sockel setzen soll, kann auch auf die neu erscheinende Generation noch ohne Mainboardtausch aufgerüstet werden. AMD hat hingegen mit AM4 einen komplett neuen Sockel für Ryzen vorgestellt, was aber auch dringend nötig war, da FM2 und AM3+ deutlich veraltet sind. Für die Zukunft sollte uns AM4 jedoch auch für die nächsten Prozessorgenerationen erhalten bleiben.
Deutliche Unterschiede zeigen sich jedoch in der Ausstattung und der Auswahl. Intel-Mainboards sind derzeit mehr verfügbar als Mainboards mit AMD-Sockeln. Der Preisumfang reicht dabei von guten 45€ für H110M-Mainboards bis hin zu über 600€ für die ROG Maximus IX Extreme-Version von Asus. Besonders die kleinen B- und H-Mainboards sind dabei jedoch oftmals schlechter ausgestattet oder teurer als vergleichbare A320 oder B350-Mainboards von AMD. Nichts hingegen schenken sich AMD und Intel bei den X370 bzw. Z270-Mainboards. Einziger Wermutstropfen bleibt, dass Intel nur mit den Z-Mainboards das Übertakten ermöglicht.
Enthusiasten-Prozessoren Skylake-X und Threadripper
Ein eigenes Kapitel haben auch diese beiden Prozessor-Familien verdient. Für die meisten zwar irrelevant, da teuer in der Anschaffung und dem ganzen Zubehör, aber doch nicht unwichtig, sind Threadripper und Skylake-X. Während Intel die neue Plattform um den Sockel 2066 bereits in den Verkauf geschickt hat, ist Threadripper noch ein bestätigtes Gerücht, jedoch mit vielen Einzelheiten. Es kommt immer mehr ans Licht, dass Skylake-X vor allem stromhungrig und heiß ist, wenn übertaktet wird. Viele nennen die Plattform daher bereits „Intel-Bulldozer“, eine Anspielung auf die AMD-Architektur Bulldozer, welche nur durch viel Strom quasi „zwangsüberlastet“ wurde. Auch die Intel-Prozessoren zeigen ein ähnliches Verhalten, bis zu 300 Watt TDP überfordern selbst Kühler wie den Dark Rock Pro 3.
Doch auch AMD hat derzeit auf der kühltechnischen Seite mit Problemen zu kämpfen. Die Größe der neuen Threadripper-Prozessoren übersteigt bei weitem die Größe der meisten Kühltower. Abhilfe werden hier wahrscheinlich nur Wasserblöcke und entsprechende Wasserkühlungen schaffen. Da Threadripper aber noch nicht veröffentlicht ist, gibt es dazu derzeit eher wenig Erfahrungswerte.
Preislich dürfte Threadripper jedoch attraktiver sein als Skylake-X. Der 16Kerner von AMD soll bereits für 849$ zu haben sein, während Intel für die gleiche Anzahl an Kernen schon über 1699$ verlangt.
Unsere Empfehlungen
Doch was ist nun wirklich eine Empfehlung wert? Die alte Maxim „Finger weg von AMD“ wurde mit Ryzen mehr als deutlich gebrochen. Ryzen kann besonders in parallelisierten Prozessen seine Stärken ausspielen. Auch Intel hat noch immer seine Vorzüge, ist jedoch etwas ins Hintertreffen geraten.
Gaming
Für Gaming ist Intel mit dem Core i7-7700K weiterhin eine gute Referenz. Dank der bereits verifizierten Aufrüstbarkeit auf Coffee Lake mit neuem Sechskerner kann man auch jetzt noch auf Z270 und einen Kaby Lake-Prozessor setzen. AMDs Ryzen 7 1700 steht aber auch dagegen gut da, ist jedoch eher für Gamer, die gleichzeitig streamen, interessant. Für die Ryzen 7-Serie gibt es bereits günstige X370-Mainboards. Da es aber auch keine Enschränkung zum Übertakten gibt, tun es auch B350-Varianten, sofern man keine hohe Zahl an Festplatten anschließen will. Eine gute Kombination und einen kleinen Kompromiss stellt derzeit auch AMDs Ryzen 5 1600 (X)-Prozessor dar. Mit sechs Kernen, zwölf Threads und einem hohen Takt kann hier viel im Bezug auf Gaming herausgeholt werden. Die passende Plattform ist auch hier der B350-Chipsatz. Eine klare Absage erhalten die i5-Modelle derzeit fürs Gaming. Mit nur vier Kernen und ohne Hyperthreading sieht es in der Zukunft eher düster aus, daher ist es nicht sinnvoll, jetzt noch darauf zu setzen.
Workstation
Im Workstationbereich hat AMD den wirklich großen Coup gelandet. Ryzen allein erreicht mit bis zu acht Kernen und 16 Threads für einen verhältnismäßig günstigen Preis schon Spitzenwerte fürs Rendering. Intel hat zwar reagiert und bringt mit den kleinsten Skylake-X-Prozessoren i7-7800X und i7-7820X Sechs- und Achtkerner auf den Markt, jedoch zu verhältnismäßig hohen Preisen. Zudem ist die Intel-Plattform X299 im Vergleich zu X370 relativ teuer, erst ab den i9-Prozessoren sind zudem alle 44 PCIe-3.0-Lanes verfügbar. Daher ist es immer ein Glücksspiel, welche Funktionen auf einem X299-Board mit diesen kleinen Prozessoren deaktiviert werden. Massiv abzuraten ist von Kaby Lake-X-Prozessoren, welche nur 16 PCIe-Lanes zur Verfügung haben, was zwangsläufig dazu führt, dass viele Features in den Mainboards deaktiviert werden. Zudem ist die Mainstreamplattform Kaby Lake bzw. Coffee Lake vom Preis-Leistungsverhältnis deutlich besser.
Unsere Empfehlung ist daher, für bis zu acht Kerne auf Ryzen 7 1700, 1700X und 1800X zu setzen. Ab zehn Kernen kann Intel bereits wieder eine Alternative sein, wenn man bereit ist, den Preis von über 1000€ zu bezahlen. Wer noch warten kann, sollte gegebenenfalls AMDs Threadripper in Betracht ziehen. Ungelöst bleibt derzeit das Problem der Kühlung dieses riesigen Prozessor-Heatspreaders, daher ist anzuraten, unbedingt auf die ersten Tests und Lösungen hierfür zu warten.
Gut geschrieben. Deine Artikel gefallen mir immer sehr gut. Vor allem gefällt mir der Auf der Struktur in dem jewweilige Artikel!