Auf der IFA hat Intel auch einen Real World Performance-Workshop abgehalten. Dort verglich man sich im Notebook-Sektor mit AMD und sieht sich weit überlegen.
Intel will weg von den synthetischen Benchmarks
Auf der IFA 2019 stehen bei Intel die Notebook-Prozessoren und speziell Project Athena im Vordergrund. Die ersten Hersteller bringen nach und nach Geräte mit Ice Lake- und Comet Lake-Prozessoren auf den Markt. Die beiden Architekturen in 10nm und 14nm zählen beide zur zehnten Generation, was für Verwirrung sorgt. Doch Intel selbst beschwichtigt, dass verschiedene Anwendungsfälle auch verschiedene Prozessoren und Architekturen brauchen. Ice Lake ist für einige Szenarien deutlich besser geeignet, für andere aber wenig, wie mir Ran Senderovitz in einem Interview erläutert hat. Der 14nm-Prozess ist einfach bereits hochoptimiert und mit hohen Taktraten besser für Arbeitstiere geeignet. Ice Lake sei hingegen die Zukunft – vor allem AI ist ein wichtiges Thema.
Passend dazu gab es am Mittwoch Abend auch einen Workshop, den Intel „Real World Performance Workshop“ genannt hat. Dabei haben Jon Carvill, Vice President Technical Leadership Marketing, und Ryan Shrout, Chief Performance Strategist, über die Leistungsmessung bei Notebooks gesprochen. Kritik äußerten die beiden Manager dabei vor allem zu den Messmethoden mancher Reviewer. Benchmarks haben „nicht wirklich“ etwas mit der realen Leistung und der User-Experience zu tun. So haben laut Intel 82 Prozent der Tester auch Cinebench zum Testen verwendet. Auch die Verwendung von Cinema 4D für Performance-Analysen ist unter Reviewern Gang und Gäbe. Das Programm lief laut Intel aber nur auf 0,22 Prozent aller erfassten Notebooks und 2-in-1-Geräten bei Kunden in einer Umfrage.
Echte Anwendungstask katapultieren Intel nach vorne
Zur Demonstration echter Anwendungstasks gab es auf der Präsentation dann auch mehrere Vergleiche von Notebooks mit Intel- und AMD-Prozessoren. Dabei hob Intel auch noch einmal hervor, dass im Mobile-Bereich die i7-Klasse derzeit nicht den R7-Prozessoren von AMD entspreche. Als ersten Vergleich traten ein i3-1005G1 und ein Ryzen 7 3750H gegeneinander an. Es ging um das Konvertieren einer PowerPoint-Präsentation zu einem PDF-Dokument. Der i3-1005G1 war gut doppelt so schnell wie der Ryzen 7 3750H, trotz zwei Kernen und vier Threads weniger. Die zweite Demonstration drehte sich um das Rendern eines Videos in Adobe Premiere Pro. Die Vergleichsmodelle waren diesmal ein i5-10210U in Verbindung mit einer Nvidia GeForce GTX 1650 und ein Ryzen 7 3750H mit einer GTX 1660 Ti. Das Ryzen-System verfügte noch dazu über 16 Gigabyte RAM, das Intel-System nur über 8 Gigabyte. Auch hier siegte klar das Notebook mit Comet Lake-Prozessor. Beim letzten Vergleich trat schließlich ein Intel Core i7-1065G7 gegen einen Ryzen 7 3700U an. Die Disziplin fand wieder in Adobe Premiere Pro statt. Diesmal ging es um Video-Playback eines 4K-Videos. Während das AMD-System schnell zu stocken anfing, hielt sich das Ice Lake-Flaggschiff ziemlich gut.
Doch nicht nur AMD hat Intel im Visier. Auch Vergleiche mit den neuen ARM-Notebooks, auf denen Windows 10 for ARM läuft, gab es. Hier ging es jedoch primär um die Usability. So startet Steam viele Spiele nicht, Logitech Options, Plantronics Hub, Photoshop, NordVPN und sogar Dropbox lassen sich jedoch nicht installieren. Auch die Performance vergleicht Intel. So ist das ARM-Notebook trotz acht Kernen in einer Vielzahl an Benchmarks, Spielen und Anwendungen unterlegen. Verglichen wurde immer mit dem Qualcomm Snapdragon 850, einmal mit einem älteren i7-8500Y, einmal mit dem neuen i5-10510Y.
Zu subjektiv?
Der Workshop und die Präsentationen werfen durchaus auch die Frage auf, ob Intel einfach stark subjektiv getestet hat. Vor allem Premiere Pro ist auf die Verwendung der Intel iGPU optimiert, was das Bild etwas verzerrt. Doch auch die iGPU gehört natürlich zum Prozessor dazu. Von der Hand zu weisen ist auch nicht, dass die AMD-APUs aktuell nicht am Stand der Entwicklung sind. Während die Desktop-CPUs bereits auf Zen 2 und 7nm setzen, ist es bei den Mobile-APUs trotz 3000er-Benennung nicht so. Hier kommen weiterhin Zen+-Kerne mit 12nm und eine Vega-Grafikeinheit zum Einsatz. Dadurch entstehen naturgemäß Nachteile. Dass Intel auf den Cinebench-Benchmark eingeht ist auch kein Zufall. AMD rückt normalerweise bei jedem neuen Prozessor den Cinebench-Score ins rechte Rampenlicht.
Dass Intel sich etwas am Konkurrenten AMD aufgehängt hat zeigen auch weitere Vergleiche. Das Unternehmen behandelte die derzeit laufende Diskussion um die Ryzen 3000-Prozessoren, die ihre eigentlich beworbenen Boosttaktraten nicht erreichen. Später in der Präsentation finden sich auch Vergleiche mit den eigenen Entwicklungsplattformen. Bei diesen halte sich Intel eher zurück, während das Endprodukt dann schneller sei.
Intel erntet Spott und Unverständnis
Während beim Real World Performance-Workshop nur eine 40 bis 50 Journalisten anwesend waren, hat Intel die Präsentationsfolien (PDF) scheinbar an mehr Personen ausgeschickt. Das sorgt nun für Verwirrung und einiges an Kritik. So hat Roman Hartung, besser bekannt als der8auer, die Präsentationsfolien als Anlass für ein Video genutzt.
Er geht dabei auf die in den Präsentationsfolien enthaltenen Informationen ein, war jedoch nicht beim Workshop selbst. Der YouTuber kritisiert in seinem Video vor allem die Darstellung von AMD und die Methodik von Intel, den Konkurrenten in ein schlechtes Licht zu rücken. Auch ungefähre Preis-Performance-Angaben zu den kommenden Cascade Lake-X-Prozessoren sind Gegenstand von Hartungs Kritik. Anzumerken ist auch, dass sogar Material des Extremübertakters in der Präsentation zu finden ist. So hat Intel die Ergebnisse seines Ryzen 3000-Boosttakt-Videos verwendet.
IMHO: Die Kritik ist (teils) unberechtigt
Für mich persönlich ist die Kritik zu manchen Teilen durchaus nachvollziehbar. Wenn sich ein Hersteller an schlechten Ergebnissen oder Problemen des Konkurrenten aufhängt, ist das schon kritisch zu betrachten. Der Shitstorm gegen Intel, den der8auer jedoch losgetreten hat, ist meiner Meinung nach aber nicht berechtigt. Der YouTuber war nicht beim Real World Performance Workshop anwesend und die Slides allein sagen nicht unbedingt das aus, was Intel bei dem Workshop erreichen wollte. Der Hauptschwerpunkt lag auf den neuen Prozessoren der 10. Generation und echten Anwendungsszenarien abseits von Benchmarks. Das Thema Cascade Lake-X, an dem sich Roman festfährt, wurde praktisch nicht behandelt. Es gab lediglich die Information, dass sich auch hier etwas ändern wird und bald die neuen Produkte kommen. Die beiden Intel-Manager gingen praktisch nicht darauf ein.
Generell drehte sich der Workshop eher um die Optimierungen, die Intel in der neuen Generation, speziell mit Ice Lake, erreicht hat. In vielen Punkten wurden auch Vergleiche mit eigenen Produkten oder Entwicklungsplattformen gezogen, was der8auer praktisch nicht erwähnt. Dass Intel die Präsentationsfolien ohne Pressemeldung veröffentlicht hat, ist vielleicht auch nicht der klügste Schachzug gewesen. Dem Unternehmen jetzt aber vorzuwerfen, die eigenen Produkte zu bewerben und sie dabei mit der Konkurrenz zu vergleichen, ist meiner Meinung nach zu subjektiv – vor allem für jemanden, der nicht bei besagter Präsentation anwesend war.
Hinweis:
Intel hat unsere Reisekosten zur IFA 2019 übernommen, nimmt dabei jedoch keinen Einfluss auf unsere Berichterstattung.
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